Projektziele

Die zentralen Parameter, mit denen sich eine Orgel beschreiben lässt, sind schnell genannt: Ort, Baujahr, Disposition, Orgelbauer, Anzahl der Manuale, Traktursystem, Tastenumfang und Stimmtonhöhe. Hinzu kommen (soweit vorhanden) Abbildungen, evtl. Klangdokumente, Pläne usw. Jeder Aspekt unterliegt historischen Wandlungen. Umbauten, Umsetzungen, Umdisponierungen sollen ebenfalls berücksichtigt werden.

Das Verzeichnis soll als eine Voraussetzung für das Verstehen des einzelnen Instruments und seiner Besonderheiten dienen. Wer weiß, wann eine Orgel gebaut worden ist, wer sie gebaut hat, ihre Individualität möglichst auch klanglich erfährt, sieht das Instrument mit anderen Augen an. Oft ist selbst bei den Besitzern und Benutzern (die Orgel ist schließlich ein Gebrauchsgegenstand) ein persönlicheres und engeres Verhältnis die Folge, wenn das Instrument, seine Besonderheiten und vielleicht auch die Umstände seiner Planung und Entstehung erfasst und dargestellt sind. Es geht aber auch um Fragen der historischen Bedeutung und der Denkmalqualität: Der „Wert“ einer Orgel bemisst sich etwa auch daran, ob sie in gewisser Beziehung ein Unikat ist, etwa das einzige erhaltene Instrument eines Orgelbauers, ob sie bemerkenswerte Besonderheiten besitzt oder ob sie aus anderen Gründen Anspruch auf eine besondere Geltung erheben kann. So kann man aber auch die Aufmerksamkeit auf bisher weniger beachtete Denkmäler lenken: Während sich das Interesse der kulturellen und musikinteressierten Öffentlichkeit bereits relativ früh den erhaltenen Orgeln des 18. Jahrhunderts zugewendet hat, so stand vor allem der Orgelbau des 19. Jahrhunderts lange im Schatten des Interesses. Hier kann die systematische Bestandsaufnahme noch einiges nachholen und sicher auch bemerkenswerte Funde zutage fördern, in jedem Falle kann sie auf die Individualität auch solcher Instrumente hinweisen.

Die Inventarisation soll aber selbstverständlich auch als erste Informationsquelle für die „Praktiker“ dienen, für den Personenkreis, der unmittelbar mit den Instrumenten in Berührung ist: für die Orgelbauer, die vielleicht Informationen als erste Orientierung im Zusammenhang mit Aufträgen suchen, für die Organisten, die sich für „ihre“ Instrumente interessieren und für deren Schicksal maßgeblich verantwortlich sind, für Spieler, die an eine ihnen fremde Orgel gebeten werden und nicht völlig unvorbereitet dort erscheinen wollen, für Entscheidungsträger, die über die Mittelvergabe zu bestimmen haben. Nicht zu vergessen sind aber auch die privaten Interessen der Orgelfreunde. Eine solche Inventarisation setzt sowohl allgemeine als auch auf den konkreten Einzelfall bezogene Untersuchungen voraus. Allgemeine Untersuchungen richten sich etwa auf die wirtschaftlichen oder kulturellen Rahmenbedingungen, unter denen der Orgelbau zu einer bestimmten Zeit erfolgte, auf Entscheidungsprozesse und das Feld der daran beteiligten Instanzen, auf Wandlungen der Liturgie, die auf die Verwendungsweise der Orgeln Einfluss haben konnten, und auf Aspekte der Kompositionsgeschichte, die sich auf die Geschichte des Orgelbaus ausgewirkt haben. Im Zentrum stehen jedoch die auf den Einzelfall bezogenen Nachforschungen, die Untersuchung des materiellen Bestandes, also der einzelnen Instrumente, daneben aber auch derjenigen Traditionen, die sich schriftlich, bildlich oder auch mündlich zu diesen Instrumenten fassen lassen.